Auf der Innenseite der Welt

ein Natur-Blog


Blog-Essays in englischer Sprache (Auswahl)

Weber, Andreas (2022): "Then Came the Crash"

Weber, Andreas (2020): "Nourishing community in pandemic times"
https://in.boell.org/en/nourishing-community-pandemic-times

Weber, Andreas (2019): “The Singing Air”.
https://www.thenatureofcities.com/2019/06/24/the-singing-air/

Weber, Andreas (2017): “Time of the Poppies.”
https://www.thenatureofcities.com/2017/06/21/time-of-the-poppies/

Weber, Andreas (2017): “Transactions of Light”.
https://www.humansandnature.org/transactions-of-light

Weber, Andreas (2017): “Being Nature”.
https://www.humansandnature.org/being-nature
 


06.Oktober 2022

Gedanken sind Kaskaden von Mikrogefühlen.


4.Oktober 2022
 
Die Nacht war kalt. Heute ein makelloser Himmel und eine warme Sonne. Auf den Grashalmen, lang nach den Regentagen der letzten Wochen, Tautropfen in dichten Perlenreihen, dick wie Raureif und so silbrig glitzert wie dieser im Licht.


12.09.2022
 
Warum die Form, der Körper? Der Körper ist verletzlich. Das interessante ist, verletzlich zu sein. Denn nur wer verletzlich ist, kann ein Geschenk würdigen.


15.August 2022
 
Die jungen Mehlschwalben in ihren Lehmkugel am nächtlichen Giebel des Albergo Amici singen im Schlaf.
 
Eine winzige Fliege lässt sich auf meinem Daumennagel nieder und schlägt ihre zarten Flügel auf und ab, ein Tier nicht größer als ein Komma.


24. August 2019

Im See, schon den zweiten Abend. Der blasse Himmel, ein sauber abgeschnittener halber Mond. Die großen Fledermäuse, die hoch über das Wasser fliegen. Ein Reiher gleitet an mir vorbei und landet langsam flatternd auf einem im flachen Uferwasser liegenden Stumpf. Der Eisvogel, sein schriller Ruf, schrill wie der lustvolle elekrische Schock blauen Lichts, den sein Gefieder aussendet. Ich schwimme langsam um den See, lasse mich immer wieder treiben, um dem Eisvogel zuzusehen.
 
Ich schwimme im kalten Wasser, das kalte Wasser trägt mich, weich, glatt, ohne eine Spur von Körnigkeit.
 
 
23. August

Der Fuchs gestern auf der Straße zum Teufelssee, der unschlüssig in einem Meter Entfernung in meine Richtung schnüffelt: die leuchtend weiße, makellos weiße Schwanzspitze.


18. August
 
unsere Zivilisation, die falscher nicht sein könnte, die den unterschied zwischen tod und leben nicht mehr begreift, und nicht begreift, was leben spendet. aber wann war eine zivilisation jemals richtig? wir müssen immer aushalten, in der entsetzlichsten unvollkommenheit auf der erde zu leben,  und zugleich zu beobachten, wie in ihr überall die absolute vollkommenheit eingeschlossen ist. das ist eine der weisen, havels satz von der hoffnung zu interpretieren. die hoffnung ist überall und immer in voller größe möglich, weil das paradies immer und überall in jedem moment vorhanden ist, auch wenn wir niemals hineingehen können. Aber wir können uns in es hinein verwandeln.


14. August
 
die Trockenheit lässt viele gelbe Blätter im Laub der kleinen Ulme am Waldrand entstehen, dort wo schon seit mehr als einem Monat das Fahrrad an den Zaun angeschlossen ist und langsam rostet. Die Ulme nimmt die Trockenheit als wäre sie der Winter, sie färbt ihre Blätter mit dem Licht Des Herbstes und lässt sie dann los. Das gelb das weiß fast der feinen gezackten Ulmenblätter zwischen dem grün das noch aushält, wie silberne Strähnen im Haar, nicht gereift, sondern überrascht.


21. Juli 2015

der große Süden.
der große Süden.
 
Biografie eines Zedernzapfens. 
Seine Kompaktheit, leicht geöffnet und verschlossen zugleich, die vom Leben erzählt
Seine Rundung, aus Schichten zusammengepresst. Ein Apfel, eine Tomate. Ein Zapfen, hart und holzig, und zugleich eine Frucht. Eine antike Steinskulptur, die ppferfekt aus dem Granit gehauene Kugel. Ein Geschekn, das vom Leben in die eigenen Hände fällt, und das keinen Bildhauer kennt. 
Die hohen Stämme der Zedern, die blaugrauen Nadeln. Einige der Bäume bereits Skelette, ein Gartern, ein Park, der sich langsam wieder zur Welt verwandelt.
 
Der große Süden.
Die hohen Spitzen, grau, leer, der Sila. 
Der Verkäufer im Supermarkt, der die Melone für 80 cent in Scheiben schneidet. 
Die Ölbäume, die schon um halb neun Uhr morgens in der Hitze flirren, die Hitze, eine Wand, ein Schlag und eine Liebkosung. 
Die Trompeten der blühenden Leguminosen, die sich an den weiß betünchten Zitronenbäumen emporranken. 
Die kleine Eule nachts, die im ausladenden Schopf einer alten Pinie ruft, immer eine Note, langsam, ausdauernd, durch nichts zu stören. die andere, die ihr in der Ferne antwortet. 
Die Mauern des Iti Hofes, die zerfallen, und gerade in diesem Zerfallen unverwundbar wirken.
 

7. November

ZULETZT wird sich die Erde finden.
nach jahrelanger Einsamkeit,
wenn alles sorgfältig verwunden ist,
glücklich bemalt,
geht man doch irgendwann
einmal hinaus
um Jugend neu zu lernen.
 
Ein Vogel ruft nach dir
in hellen Scherben.
Die Ranken lagern längs des Wegs.
Einmal sprach man vom Sterben –
und überdies
stehn Beeren auf dem Ast,
entsinnst du dich.
 
Und Pilze,
ihr sanfteren Blumen des Herbstes
 

28. Oktober 2014
 
Leaves, rising
 
The unfathomable variety
of yellows and browns and oranges,
cadmium, cream, and crimson,
each hue a singular desire
and a singular lifeline,
a detached focus
on ever the same being.
 
I feel transpierced with lives,
lathered and rinsed by
vanilla and chocolate wavelengths
caressing my skin and my self-image.
I feel elevated by light, untethered
by the sun, a billion-fold refracted,
answering itself and smiling back in pieces
from the golden days but shortly past.
 
Brightness in breath,
delicate gravity,
unhinging previous glories without a single breeze.
Of all the tasty shades so generously shattered,
of all the dappled things entangled whith each other,
which is the plant’s delicious flesh?
Which is a sunbeam's mere reflection?
Which is a dreaming echo in the feast of ageing
pigments recollecting May?
 
Stroked by nothing but light.
No mirror's reflection,
but the invitation to partake,
to join the mutual exploring.
Gently smiled at by every singular color’s
incandescent iris.
 
Greeted all with wonder,
yet softly exiled to remember
by the light-footed glances burning and fading.
Surrendering in uncensored delight
and acquiescence,
as might a roe deer’s eyes
before his final breath.

 
11. Oktober 2014
 
lichtherapie im strahlenden angsicht eines jungen ahorns. herbstlicher abschied als sanftes fest. rückkehr in eine kindheit der welt, der die wärme nie ausgeht

 
10. Oktober 2014
 
die färbung der herbstblätter beweist: licht ist materie, ist sämiger, süffiger körper

 
5. Oktober 2014
 
in der natur finden wir das, was wir sind, aber nicht kennen, was wir gleichwohl brauchen, um zu dem zu werden, was wir sind. hugo von hofmannsthal, allomatische lösung: existieren als wandel, als gegenseitige verwandlung. 

 
13. September 2014
 
die vögel, flamingos reiher löffler ibisse pelikane möwen enten im kerkini see vor sonnenuntergang gegen den weißen abendhimmel, der sich im perfekt unbewegten wasser spiegelt ohne eine falte: mineralische reliefs in einer metallschmelze

 
15. Juli 2014
 
katalog der notwendigen dinge. der duft der minze beim mähen der wiese / in der ligurischen mittagsstille

 
1. Juli  2014
 
die bauschigen weiden am ufer der elbe hinter stendal, die bauchigen wolken locker am himmel, rund, großzügig entgegenkommend, weich, liebevoll verschwendet: die wolkenbäuche und die weichen bäume, warum ist mir ihre verwandschaft auf der runden höhe eines sanften sommers noch niemals vorher aufgefallen?

 
29. Juni 2014
 
a warm westerly wind. my heart beats with a wild love for the world
bees humming in the female chestnut tree, the sound of their wild love for the world.
doing the absolutely necessary IS this wild love.
 

29. Mai

die abertausend wimpern der weißdornblüten.
die feldflur schaut mich mit weißdornblüten an.

 
die luft still, kühl, gesättigt mit weißdornduft. weißdorn überall, das fantastische schwellen der büsche, der gedrungenen bäume, die in diesem jahr beides, blüten und laub, zugleich erhalten haben. die weichen formen der blätter und dolden drängen rund und süß in den weg, die wolken von duft, bauchig und schwer, so sehr ist eine gestalt die andere und ein sinn spiegel des nächsten; nein, nicht spiegel, teilhaber, liebhaber, berauscht und nicht mehr ganz sicher, was du und was ich ist. und was diese verschmelzung richtig und wahr macht, anders als jeden konsum einer situation oder eines anderen menschen, liegt darin, dass wir wissen, dass alle hier wissen und ahnen, dass es nichts als ein kurzer moment des glücks ist, so sehr nicht die ganze wahrheit, aber so sehr ihre ganze macht.


4. Februar

Die Steine in den ligurischen Bächen lehren mich Geduld. Sie lehren
mich, dass es wirken kann, als ändere etwas sich nie, während es in der Tiefe vollkommen umgewälzt wird.




23. Januar 

 
Hinter Saalfeld sehe ich aus dem Zugfenster den Fuchs, eingefroren in einer Bewegung, erstarrt im Spürgang auf einem unermesslich weißen Feld.
 


7. Januar 2013

Das Wildschwein, das den Hang parallel zur Neigung auf halber Höhe entlang donnert. Die Natur, die nicht nein sagen kann.


19. Dezember


Erinnerungen an Tricarico
Von der Flussebene wirken die kreisförmigen Spuren der Feuer in den Bergen wie übergroße Brandflecken, die zu heiße Töpfe auf einer Tischplatte hinterlassen haben. Ich folge den Serpentinen hinauf nach Tricarico. Von unten wirkte das Städtchen wie in Stein erstarrt, wie veredelter Fels und ein Stück Landschaft, nicht menschengemacht.

Als ich auf dem Marktplatz ankomme, schließt gerade die letzte Bar. Die beiden Mädchen lassen es sich nicht nehmen, mir noch zwei Tramezzini dick mit Schinken, Mozarella und Mayonnaise zu belegen und mir eine Kanne mit Wasser auf einen Tisch draußen unter der Markise zu stellen. Dann geht der Rolladen runter.

Nach dem Essen wandere ich durch die flirrenden und schweigenden Gassen hoch zum normanischen Turm. Es ist atemberaubend heiß. Die Mauertür ist angelehnt. Ich schlüpfe hindurch. Eine Gruppe Italiener wartet im Schatten, während der letzte Besucher von der Treppe zurückkehrt. Ich bin zu spät. Da hilft nur nettes Bitten. Schließlich sind wir nicht in Preußen. Ob ich vielleicht auch noch einmal... vielleicht könne man ja einen Moment warten?

"Certo", natürlich, meint der Reiseführer, Vorsitzender des Heimatvereins "Die Masken von Tricarico", wie sich später herausstellt, und gibt mir den Schlüssel. Die anderen nicken mir freundlich zu. Keiner wird ungeduldig, als ich mit dem mittelalterlichen Schließinstrument die Treppe hinauf im Gemäuer verschwinde. Keiner schaut mich genervt an, als ich zehn Minuten später wiederkomme. Keiner hat Eile, loszukommen. Wir plaudern noch ein Weilchen. Und verabschieden uns wie Freunde.

Die Stimmen verhallen zwischen den Gassen. Stille, Hitze, Einsamkeit. In einem der schmalen Häuser hat der Dichter Roberto Scotellaro gelebt, jung gestorben 1953. Eine Tafel erinnert an ihm mit ein paar Zeilen: "Aber ich habe keine schöne Schlafende zu wecken / weder ich, noch meine Gefährten, die wir die ganze Nacht / uns geborgen haben unter dem Gerippe der Liebe..." Der Himmel ist weiß vor Hitze, das Bild eines Falken steht in der kochenden Luft über den Steinen.


21. November

Das gletschergrüne, unendlich junge Wasser des Etsch, das unter der Brücke seine Muskeln spielen, seine Zähne blitzen lässt.


18. November
 
Das Blasse und immer blassere Gold der Birken.
Das blasse Rauschgold der Birkenblätter vor dem blauen Himmel.
 
Die Entfremdung von der Natur ist nichts, dem wir mit Nostalgie und wehmütigen Gedanken an eine gute alte Zeit begegnen können. Es ist keine Korruption der Sitten. Es ist bloß die Wirklichkeit, die heute gültig ist, so wie sie gestern gültig war, eine zeitgenössische Version der uralten Lebenslüge der Existenz, des Verkrachten, Verunglückten und Prekären in allem und zu jeder Zeit. Nicht die utopische Konzeption einer endlich gelingenden Wirklichkeit wird uns davor schützen, sondern allein der Versuch, von Moment zu Moment lebendig zu bleiben, und dass heißt in der Mitte zwischen Vereinzelung und Aufgesogenwerden für unsere Freiheit zu kämpfen, und für die Schönheit, die unser Lebensrecht ist. 
 

24. September

Laubwurf
 
Licht, das fällt.
Traubenkirschendämmerung.
Der Boden blätterhell,
von Licht verkrustet,
in Wächten und Halden
mit dem Leichtesten beschwert.
Ast um Ast erlischt.
Eine Erleuchtung, die umso stärker wird,
je mehr Dunkel zurückbleibt.
Strahl für Strahl verschwelt die
Sommerhelle auf dem Boden.
Tropfen um Tropfen
entleeren sich die Zweige
unter dem Gewicht des Lichts.



21. September, Orion/Beárn

Im stetig sich ändernden Licht stehen die Berge jeden Morgen verändert da: Eine zarte Bordüre des perlmutternen Himmels, gestaffelte Kulissen in feinstem sfumato, eine schwarze Wellenfront, aufrollend über die Ebene. Alles, worüber wir sprechen, kommt mir wie ein einziger wechselnder Kommentar zur schweigenden Präsenz dieser gewaltigen Steine vor, ein Stammeln zu Füßen einer unüberblickbaren und unüberschreitbaren Schwelle. In der weißen Gischt der Talnebel rollen die Felswogen zu unseren Füßen aus und mildern den Sog der uns fortreißenden Zeit zu einer Verneigung voller Anmut – einem steinernen Schulterzucken in kaum wahrnehmbarer Zeitlupe, unter dem die in den Bächen hinabrauschenden Kiesel rascheln wie welkes Laub. Der kalte Wind zerrt an den Platanenblättern.
Am Fuße der Steinwellen erfüllt mich eine ebensolche Euphorie, als bereitete ich mich am tosenden Meeresstrand auf ein erfrischendes Bad vor.


20. September

"Und so ist es: Nach dem Stein versteht man die Rosen. Nach der Rose erträgt man den Stein." (Cees Noteboom)


9. September

Das Feuer der Zeit schmiedet die Liebe oder verbrennt das, was keine Liebe ist.


22. August
 
Insekten im Gegenlicht wie gerinnende Luft.


6. August

Draußen rufen die Eulenjungen, gerade geschlüpft in der zweiten Brut dieses Jahres, mit spitzen Stimmen aus dem Dunkel ihre Eltern, um gefüttert zu werden. Wenn kein Unglück den Vater oder die Mutter tötet, dann werden diese Jungen so gut aufgezogen, wie es eben irgend geht. Warum gelingt uns Menschen das nicht?  Mich rühren diese Stimmen in der Nacht. Sie sie erfüllen mich mit der Hoffnung, dass Güte eine Eigenschaft der Welt ist, ja, dass sie aus jeder Ritze quillt, wenn man sich nur die Mühe macht, hin zu horchen und ihr aufzuhelfen.


20. Juli
 
Störche Nest Estland nature storkKärkna Kloster, bei Tartu, Estland – die Wimpern der Ochsenzunge, die grünen Schirme des Anis, das flache Steinbauernhaus, das Storchennest auf einem Pfahl mit den Jungen darin, deren flauschige Köpfe und noch dunkle Schnäbel sich dann und wann zeigen, Heupferde und sehr laut ein Schwirl – was die Pflanzen, die Tiere, die Körper tun ist nichts anders als „observing without valu-
ati

Das Rätsel dieser Präsenz wieder und wieder in jedem Schwalbenruf, in jedem Fliegensummen, in jeder blauen Ader eines Geranien-Kelchblattes, ungelöst, in seiner heimatspendenden Kraft vor mir entfaltet, eine namenlose, zärtliche Berührung, ein Wissen, das nur darum Wissen ist, weil es Nichts weiß.


25. Mai
 
Die unschiedliche textur der bäume im park gegenüber, hinter der von links nach rechts abfallenden, leicht gekrümmten rasenfläche – ein verhältnis wie ufer und flussbett. ein ufer, verschlungen, verwunschen, tropisch komplex und üppig und in seiner vielschichtigkeit jedes gefühl auf synästhetische weise enthaltend, von der ekstase bis zur verzweiflung. wenn ein synästhetiker eine seelische empfindung als mit physikalischen qualitäten begabt empfindet – das glatte eines schmerzes, das samtige der befriedigung, das gekräuselte der nervosität – dann ist auf dieselbe synästhetische weise jedes gefühl im erscheinungsbild der lebewesen in den unendlichen ausdrucksformen ihrer vielfalt verschlossen – und offenbar. der optimistische gleichmut des ahorns. die hysterie der kiefern. das sentimentale des holunders, die nervosität der rose, das verschlagene der schlehe ––– wenn alle körperliche gestalt ausdruck eines bestimmten gefühls ist und letztlich alle verschiedenen arten des fühlens in der unendlichen skala von wohl und wehe sich auflösen, gut und schlecht in allen erdenklichen erfahrungsweisen und würzungen sind ––– ist der waldrand, DIESER waldrand gegenüber, jenes flussufer eines unsichtbaren gewässers die haut einer unerschöpflichen seele.

 
29. Mai
 
eben auf dem feld die lernchen vor einem weiten, weiten himmel in blau und weiß, am jasmin kommen auf jede geöffnete blüte dutzende, die noch aufgehen und duften werden, eine unfassbare metapher des trostes und der verheißung.
 

12. April

Die grünen Feuerbälle der Ahornblüten, auf einmal da. Alles ist plötzlich da, über Nacht, Fülle in Präsenz wie ein geträumtes, aber nie erhaltenes Geschenk, wie eine Verwundung, aus dem Dunkel zugefügt.
Das Blühen, Knospen, Werden der Vegetation: ein auf langsam gestelltes Feuer. Der in Zeitlupe ablaufende und nicht verstandene Beginn eines gew
Anemonen Andreas Weber
altigen Verglühens, von der Hoffnung getragen.
Ahornblüten, Petarden in Grün zerplatzend, Kastanienkerzen
, Fackeln, weiß in der Luft verwehend, die Hyazinthen, Glutflecken, die an der Haut lecken.
In Wahrheit ist die Wirklichkeit, in der wir leben, in der wir vielleicht siebzig Frühlinge bezeugen lernen, nichts als eine verzögerte – und in Milliarden Details verlangsamte und vergrößerte, verräumlichte – Aufnahme des einen Tanzes von Aufladung und Verbrennung, des Zitterns der Atome bei der Verwandlung, der Oszillation winziger Organellen, während sie verdauen, ausscheiden, der Flamme, wie sie sich aufrichtet, vernichtet, verwandelt.
Gekräuselte Ufer eines unendlichen Gestades, von unseren langsamen und naiven Blicken aufgelöst in Splitter, Atome, Strukturen, Sachverhalte – die doch nichts anderes sind als die Schlieren und Wirbel, die bei einer chemischen Reaktion entstehen; beim Übergang von einer Energiestufe in die darunter liegende. 
Die Differenz ist es, welche meine Feder führt, welche die Kirschenknospen platzen lässt, welche Gott einen Spiegel hinhält, einen Frühlingsscherbenregen lang.


8. April
 
ostern, die zarten büsche im gegenlicht vor dem himmel. der himmel kristallisiert zu schenkorganen.
die heckenkirschen am windmühlenberg im gegenlicht der morgendlichen sonne.
knospen, gerade geöffnet, laub, von licht geweckt.
blattgewebe, noch rötlich vom schlummer im uterus der knospen, noch nicht zum licht ergrünt.
transparente haut, die den sonnenschein zwingt, beim durchgang eine andere farbe anzunehmen.
FARBE zu bekennen.
Die Blätter der kleinen Heckenkirschen, Kristallisationskerne im Nichts. 
Nein: 
Das Licht weckt wachstum im schlafenden Holz, das licht weckt ein echo, das selbst wieder, leuchtende laubhaut im schüchternen strahlen, licht ist.
nichts als licht: der gabe der sonnenstrahlen antwortet licht. die sonne scheint ebenso am himmel wie aus dem laub, das sie hervorgebracht hat und das ihre leere so erst erfüllt.
licht wird zu leben, das licht spendet.
sind wir nicht auch das: knospen, knisternd und schmerzlich schwellende wachstumsorgane im durchgang von licht zu licht?
die fledermausflügel des jungen laubs verdunkeln die sonne.
licht, gefärbt mit blut
das licht pocht mir bis zum hals.
 

27. März

die vogelpracht.
die welt ein klanggebäude. 
der raum wird durch die stimmen erst, die ihn erfüllen, hervorgebracht. vorher ist nur dunkle potentialität. das weltstiftende der stimme. im dunklen rest der nacht, in kalter luft bildet sich der Raum als leuchtendes Gewebe, als Geflecht aus rubinroten, violetten, purpurnen, samtigen und gläsern transparenten Stimmenspuren. Das Blut der Stimme pulsiert im Raum und lässt ihn erblühen.



25. März

lupe, blüte
 
die blüten schlagen ihre blauen augen auf zum himmel
und lassen ihren blick in seine leere steigen
der himmel blickt die blüten an und stürzt
hinab in ihre leeren augensterne
die blüten schlagen ihren blick mit himmel auf
der himmel blüht und blickt hinab und sinkt dabei hinauf
und füllt die iris, die ihn blühen sieht
bis an den rand des kelches voll mit ferne.
 


23. März

das steigen der stimmen
sie sprechen den raum erneut aus
das schwellen der blüten
blau, violett,
hinauf, hinauf zum leeren kelch des himmels
in zitterndem erstaunen trinkt die erste biene
das geschenkte licht
 
jede faser
jede leitungsbahn
eröffnet einen spalt
im blauen samt der kelche
eröffnet brüche, risse, gräben
in der iris
durch die der himmel seine leere
ganz verschenkt
 
„wär nicht das auge sonnengleich––“
der himmel spendet licht,
mit dem die erde sterne schafft
die wiese, gestern bleich und satt
blickt fassungslos hinauf
und hält es, blühend, schwellend, liebend
dennoch aus
 
sie stürzt empor
von blüten aufgerissen, von blicken aufgewühlt,
und hebt das schwere nichts
auf ihren aufgespreizten händen.
wirft himmelskörper in die leere höhe
lächelnd unter dem, was ist.


 
22. März

immer wieder das gefühl der aufwärtsbewegung, wenn ich die vögel höre. 
das gefühl, als erhöbe sich auf ihren flügeln die zukunft, ganz leicht....
vögel singen HINAUF in die luft
sie werfen silben, phrasen, akustische kalligraphien empor in die leere luft
ein schwarm von silben, silben wie vogelflattern, töne, wie das rascheln und klirren und summen von schwingen in die luft hinauf
die töne erheben sich tanzend in die haltlose luft und tragen die welt höher, höher
in die lebendige leere
wer sind sie, stimmen im netz der töne, schlagende herzen aus schall im zentrum des pochenden ichs?
wer sind sie?
ich grüße sie... begrüße sie und grüße sie von dir.... alle, die hier um mich sind...
star, feldsperling, kohlmeise, blaumeise, buchfink, singdrossel, ringeltaube, nebelkrähe, rotkehlchen, mittelspecht, amsel, kleiber, baumläufer, grünspecht, eichelhäher...
die töne keimen aus der luft wie knospen am erstarrten fleisch der winterlichen bäume.
alles ist innen....
 


21. März

die blütenglockern kleiner hyazinthen, blau,
die welke blätter über ihre stirnen stemmen,
die alles fallende zum steigen heben,
die, blau,
wie runde herzen
in ihrer wolkenlosen wandung nur den himmel haben,
der seine leere auf sie stützt.
sie stürzen, blau,
als inneres zerrinnender gefäße stets hinauf,
hinaufgesehnt, hinaufgewagt –
hinaufgeweint
ins leere herz der luft.
die blütentropfen,
blau, verblassend,
wie alle zitternd, winkend, schweigend
ihr dasein doch in stärke wandeln
und immer leichter werden
gesättigt vom gewicht der luft.
 


20. März

wie die lerchen ihre stimmen in den himmel werfen, ein nach oben fallender regen feiner und feinster stimmsplitter, ein sich-verausgaben in die luft hinein, die sich mit zittternder stimme füllt, die stimme in sich hineinverwandlet, die töne, ausgeatmet von den syrinxen der winzigen vögel, flügelflatternd wie die töne aus ihnen hervor reißen, trümmer ihrer winzigen leiber, die darin aufgehen, klang gewordener atem, der sich in kleine und immer kleinere kristalle auflöst bis er ganz ausgeatmet ist, in den bogen über meinem kopf verwandelt, in das gespannte nichts, das mir, hinein, hinaus, hinein, hinaus, immer weiter nach oben in den körper sinkt, bis er stimme ist, stumm.



18. März

ich glaube, ich habe eben erst, heute morgen erst, gesehen, dass die blumen wirklich da sind. die scylla mit ihren kleinen blauen trauben, die plötzlich über dem raschelnden laub vom vorjahr aufgetaucht sind; die krokusse, blassblau, violett, weiß und rosé, bis zum auseinanderfallen weit geöffnet, die schneeglöckchen, die im wind leise winken. Ich sehe die blumen zum ersten mal. Ich sehe sie, als wäre mir mit ihrem auftauchen über nacht ein neues organ der wahrnehmung gewachsen.



13. März

Die Vogelstimmen ziehen noch vor Dämmerung unsichtbare Linien in die Nacht. Ihre Rufe und Melodien durchlaufen das schwarze Rund in Form feiner erster Risse und zuckender Sprünge. Sie bilden Furchen, durch die das Licht seine zaghaften Triebe steckt, wächst und anschwillt und klingend die Dunkelheit sprengt, den Tag von der Nacht sondert, bis alles Stimme ist.



2. März

Langsam hebt sich das Dunkel. Feuchtigkeit, verblassendes Grau. Stimmregen, der in den Himmel hinauf strebt, hinauf, nicht hinab. Vibrato, Koloratur, Berührung, eine unsichtbare Skulptur, die an die Haut brandet wie Samt, wie gesponnenes Glas. Hiersein, zu Materie gestockt, in Materie entborgen. Töne, unsichtbar, unfassbar, in zärtlichem Kontakt. Immer wieder Stimme: in jedem Schluchzen der Beweis für die Tragfähigkeit der Luft.



1. März

Der Girlitz, unscheinbar, quicklebendig, an seinen Futterkörnern. Das braune kühle Laub. Tauperlen an den Zweigen, die Wasser des Anfangs. Der Girlitz, grau, gelb. Er raubt mir die Sprache. Ich sehe ihn. Ich sehe dich, sprech ich leise vor mich hin. „Ich sehe dich“. Das ist das größte Kompliment, die größte Zuneigung, die ich einem Wesen schenken kann. Auch einem Menschen. Ich sehe dich.... so wie ich die Heckenbraunelle sehe, die sich ihren Weg durch das braune Laub bahnt, auf der Suche nach Nahrung, nach Leben. Ich sehe dich ganz, ich sehe dich, in Freude, ich will, dass du seiest. Das ist der Blick, mit dem uns der Vater, die Mutter auf der Welt willkommen heißen. Es ist der Blick, der alle Wesen, alle Arten ins Leben ruft: Ich sehe dich, ich sehe euch alle.

Und dann: „Ich sehe dich“ heißt auch immer, dass ich mich selbst sehe. Ich sehe mich selbst in der Intensität meines Blicks, der den anderen, indem er ihn ganz sein lässt, erschafft. Ich erschaffe ihn als der, der voll und ganz gesehen wird, in seiner eigenen Freiheit, in seiner beglückenden, unfassbaren Fremdheit, die ich in diesem Moment, in dem ich ihn sehe, ganz sehe,  auch ganz zu meiner eigenen mache.

Draußen die Vögel, zum ersten Mal so präsent, dass man spürt, dass sie die Herrschaft wieder übernommen haben, dass nicht mehr das Ausharren die Wirklichkeit regiert, sondern die freudige Initiative. Die Luft gereinigt über Klangkaskaden, gefiltert durch melodische Splitter und harmonische Scherben, veredelt, raffiniert, dynamisiert wie Wasser, das über tanzende Kiesel rin
nt und dabei von Sauerstoff so angereichert wird, dass es sprudelt, murmelt und singt. Singend, jubelnd stürzt es zu Tal, hinab, hinab, hinab.



24. Februar

Am Futterkasten das Pärchen Zeisige, zuerst sehe ich nur das Gelb des Männchens, seine im Grau des Tages, der zergangenen Blätter, der leeren Äste, des trüben Mittags wie eine kleine Lampe strahlende Kopf- und Brustfarbe. Ein Kanarienvogel, denke ich zuerst, ein Exot, ein Käfigflüchtling. Aber mir wird klar, dass so viel Farbe und Exotik zur ökologischen Normalität bei uns gehört. Dann entdecke ich das unscheinbarere Weibchen, auch einen weiblichen Girlitz, das Rotkehlchen, das ich kürzlich nachts heimlich im Dunkeln singen gehört habe, den Feldsperling, die Maus, die seit Tagen mit emsigen Hin- und Hergetrippel einzelne Getreidestückchen aufsammelt und zu ihrem Bau trägt. Das kleine, schöne, notwendige, zwanglose Getriebe des Lebens, seine zugleich unendliche Tiefe, die sich in jedem Moment vor mir öffnet, als könnte ich durch die Farbe des Zeisigs hinabstürzen in einen Raum des Fühlens, des Ausdrückens, der Weisen, zu erfahren, der sich niemals ausloten lässt. Die gelbe Brust des Zeisigs, die einzige Wärmequelle an diesem Tag, ein Stern, der ganz zufällig aufgegangen ist, ein unbewegter Beweger wie wir alle.




16. Februar
 

Heute zum ersten Mal eine Sonne, die wärmt, eine Sonne, die das Jahr steigen lässt. Die leisen Stimmen der Vögel, selbst emporgetragen und zugleich Teil dieser Aufwärtsbewegung. Hildegard Kurt: Das Zentrum nachhaltigen Handelns besteht darin, das Nachhaltige als das Künstlerische zu verstehen. Nicht eine andere Politik, nicht eine andere Ökonomie führen zur Nachhaltigkeit, sondern ein zutiefst künstlerisches Lebensverständnis.



1. Februar
 

Bobo, der Beagle-Mischling, hat mich die ganzen Morgenstunden beim Schneeschaufeln in Varese L begleitet. In der Frühe, als noch niemand seinen Weg durch die knietiefen Wachten in der Gasse gefunden hatte, waren im gelblichen Licht der Laterne nur Bobos Spuren zu sehen. Der Hund hatte Pfade mit dem breiten Bug seiner Brust freigepflügt, auf beiden Seiten der Straße an der Hauswand entlang, dann sich überkreuzend zu unserer Haustür. Schnee Varese LigureEr war als erstes Wesen schon in aller Frühe durch die tiefen Wehen gekrochen, nur um vor der Pforte auf unsere läufige Hündin zu warten. Ich stapfte zum Bäcker in den Spuren eines Hundes. Sein Blick über die Schulter, als er dann endlich ging, nach zwei Stunden, mit von Nässe verklebten Fell, schneebedeckt, sein Blick, in dem immer noch die Hoffnung lag, und eine Trauer, die die Welt so akzeptiert, wie sie ist. Der Bäcker hat in der Frühe den weißen Lieferwagen vor seinem Geschäft freigeschaufelt, als der Schlüssel nicht passte, merkte er, dass es das falsche Fahrzeug war, seines steckt noch in einer Schneewehe.




28. Januar
 

Schuberts Kunst ohne jede Diskursivität Sein zu erzeugen. Das Stotterertum jedes Dichters dagegen. Musikstücke, die zu ihrer Beschreibung das gleiche Instrumentarium des Ausdrucks forderten wie Landschaften. Der Zaunkönig im feuchten braunen Gestrüpp über den braunen, grauen, schwarzen, nässeglänzenden Steinen des Rio Crovana.




27. Januar
 

Wirklich älter zu werden, alt sogar, zeigt sich daran, dass man sich darauf verlegt, über das Erotische zu schreiben.



 

26. Januar
 

Es ist Winter im Appennin, braune Hänge, braune Varese Ligure Weber leere Eichen, Steine, Flechten, Rauch, der sich aus Kaminen wälzt, Stille, der Ruf einer Eule, die steinernen Bachbetten, Adern eines Körpers aus Stein.




16. Januar 2012
 

Für das Tier sind maßloses Glück und ernsteste Pflichterfüllung eins. 

Das Knistern und Rascheln des Schnees auf den frosterstarrten Blättern. Das Geräusch eines beständigen Regens feinster Glassscherben auf eine Oberfläche von unfassbarer Nachgiebigkeit.




8. Januar
 

Nei primi anni Sessanta, a causa dell'inquinamento dell'aria, e, soprattutto, in campagna, a causa dell'inquinamento dell'acqua, sono cominciate a scomparire le lucciole. Il fenomeno è stato fulmineo e folgorante. Dopo pochi anni le lucciole non c'erano più. Sono ora un ricordo, abbastanza straziante, del passato: e un uomo anziano che abbia un tale ricordo, non può riconoscere nei nuovi giovani se stesso giovane, e dunque non può più avere i bei rimpianti di una volta. Pier Paolo Pasolini, La scomparsa delle lucciole, Corriere della Sera 1975




5. Januar 2012

Der Falke, auftauchend, abtauchend, flügelschwirrend, in der Luft verharrend, als Geschoss hinunter stürzend, mit dem Federbug die unsichtbaren Wogen hinauf schäumend… das Tier spielt mit dem Sturm, mit der Luft, die mir hart und eisig im Gesicht steht und in den Kragen greift. Ich denke an Hunde, die beim Jagen beständig mit dem Schwanz wedeln und so ihre Begeisterung zeigen, weil auch sie spielen; ich denke an meine Anschleichübungen – als Jäger und als Gejagter gleichermaßen – die mir die Elektrizität der Begeisterung durch die Adern rinnen ließen. Es gibt nur einen Schluss aus alldem: Der Falke jagt innerlich jubelnd, hingerissen, vollkommen an seine Existenz hingegeben, er nimmt nichts ernst außer seinem Glück, so wie Kinder im berauschten Spiel die Kälte nicht spüren. Die Sicht des Südatlantiks aus der Perspektive des Albatros; erst die Füllung der Welt mit allen nur denkbaren Arten ermöglicht, dass jeder Aspekt der physischen Wirklichkeit erfahren und auch genossen werden kann, dass alle Facette Gottes, auch die düstersten, zu irgendeinem ekstatischen Glück gereichen. Das rauschhafte Glück des Aaskäfers. Das atemlose Glück des Falkens, geschweißt in einen eisigen Wind. Die Unverstehbarkeit eines maßlosen Glückes, aus der jeder Organismus in einer anderen Sprache dolmetscht.



2. Januar 2012

 

“Es gibt eine andere Welt, aber sie ist in dieser.” Paul Eluard




30. Dezember
 

Die unwiderstehliche Lebensfreundlichkeit von Leben: Lebendigkeit zieht Lebendigkeit an, Leben verbessert auch das Leben für die anderen Wesen, weil es generell selbstverstärkend wirkt; es ist ansteckend.




29. Dezember
 

inspired by Joline Blais, Indigenous Domain

The artistic worldview, if I can call it this way, is seeing the world as a place and a source of creativity where everything can reflect and inspire everything else, which for this reason is dignified and part of the life-giving exchange process.

Representationism is enclosure: to have an idea of something without belonging to it, to understand something without giving a part of one's own life to experience what presumably has been understood. Objectivism is enclosure; the idea of a detached mind who can as a stranger to everything and untouched by anything discern the laws and decide about the structures of reality.



12. Dezember

 

Das ruhige Braun der toten Blätter, eine Amsel darin, ich fühle ihr schwaches Echo in meinem Herzen, kaum noch Freude über sie. In jedem individuellen Tod stirbt das Leben, das sich aus der ersten je entstandenen Zelle ungebrochen fortgepflanzt hat, ein erstes Mal. Jeder Tod mobilisiert die gesamte Schöpfung, weil er, in einem Wesen kristallisiert, auch ihr Untergang ist.


 

10. November

Während die Blätter verrascheln, wird es wieder einmal klar, dass die Spirale der Vernichtung immer schneller rotiert. Ein anderes Wirtschaftssystem, eine ökologische Ökonomie? Vielleicht. Sie würde helfen. Aber kommen wir dahin? Was wir brauchen, sind Vorräte. Räume von Schönheit und Sinn, die zugleich auch noch sich selbst erhalten können. Naturbereiche, die niemandem gehören, die zurückgelegt werden, um Schöpfung zu bleiben. EInes davon ist Yasuni, ein pristines Regenwaldgebiet in Ecuador. Ursprünglich wollte Deutschland Ecuador helfen, auf seine dort möglichen Ölfördereinnahmen zu verzichten, ermöglichen, das Öl im Boden zu lassen, das CO2 auch. Aber gerade die deutsche Regierung ist ausgeschert.Nun gibt es eine Kampagne, den Haushaltsausschuss des Bundestages unter Druck zu setzen. Kaum hat sich ein Hebel so gelohnt wie hier. Darum: mitmachen. Es dauert nur 3 Minuten (wie so vieles am Bildschirm ;-), aber es rettet Lebendigkeit in ungeahntem Ausmaß... Mehr und Umfassenderes dazu auf www.commonsblog.de und zum Mitdrücken bei www.avaaz.org.


2. November

Im GEO vom März 2011 ein Stück von Franzen (Original im New Yorker vom letzten Jahr) über die Vogeljagd auf Zypern, Malta, in Italien, die noch zunimmt, nicht weniger wird. Eine niederschmetternde und aufstachelnde Geschichte; sie hinterlässt ein Gefühl, als wäre die Arche Noah 
längst so leck, dass es ganz gleich ist, welches Leck man stopft, sie sinkt doch immer weiter. Und sie hinterlässt das Gefühl eines Künstlers, der die Poesie des Lebendigen erkennt (auf dem Bild ein Ansitz im Seneso, bei Radda-in-Chianti, Italien).



1. November
 

Die Welt, verbrennend in leuchtenden Farben, in Farben, die schmerzen vor Erleuchtung. Diese Farben sind immun gegen jedes Sprechen. Diese Farben haben kein Licht nötig, sie emanieren es selbst. Nicht nur die Sonne, die Welt geht auf. 


 

28. Oktober

Eine milde letzte Sommersonne scheint. Ich trainiere in den taubehängten Trampolins der Baldachinspinnen das Springen ins Licht.


6. Oktober

 

Am Flussufer des Crovana, zwischen den dicken Steinen im Nachmittagsgegenlicht eine Prozession vertrockneter Pflanzen, deren Leben sich mit dem Ausstreuen der Samen erfüllt hat, hohe Stengel, Stachel im Umriss, Lebensläufe im Scherenschnitt, denen nichts mehr hinzuzufügen ist.


5. Oktober

 

Die Hänge, jede Sekunde werden sie ein Gran schwerer, behängt eine unsichtbare Kraft sie mit unkenntlichem Rost, mit unmerklichem Gewicht. Die Landschaft verliert ihre Farben wie der Abend sein Licht kurz vor Sonnenuntergang, wenn binnen Minuten die Helligkeit aus allem schwindet und erlischt.



28. September
 

Die Hänge bewölken sich mit Herbst.

 
 
 
Text: Andreas Weber | Fotos: Andreas Weber