Natur als BedeutungNatur_als_Bedeutung_Weber

Versuch einer semiotischen Theorie des Lebendigen

Würzburg 2003

In „"Natur als Bedeutung"“ versuche ich, den Wert von Natur (und von Naturschönem) aus einer der holistischen Biologie verpflichteten Organismustheorie zu begründen. Schlüsselbegriff ist dabei der semiotische Terminus „Bedeutung“: Ich verstehe ein Lebewesen als ein komplexes System, dessen Wahrnehmung und Verhalten sich über Bedeutungen vermitteln. Lebewesen stellen durch die Art ihres Existierens Bedeutungen her, in denen sich ihnen die Welt erschließt. Die wahrgenommene Welt ist ein biologisches Konstrukt; seine Gestalt hängt von der Bedeutung äußerer Einwirkungen auf den biologischen Existenzvollzug ab. Kognition ist immer Semiose. Die Theorie biologischer Kognition kann damit als Biosemiotik formuliert werden.

 
Weil Bedeutungen ästhetisch, nämlich sinnlich-körperlich vermittelt sind, und weil an ihrer Struktur die körperliche Konstitution sich selbst inne zu werden vermag, eignet der Welt eine primäre, auf den Selbstvollzug des Organischen gemünzte Bedeutungshaftigkeit. Diese findet sich in allen Erzeugnissen der Natur als in ihrer verkörperten Manifestation gleichsam eingefroren wieder: Lebewesen sind ästhetisch, morphologisch Spiegel existentieller Bedeutungen, also der allem Organischen eigenen conditio vitae. Diese These trifft sich mit der neuerlich immer stärker hervortretenden Beobachtung, daß die primären Metaphern der Kultur eine körperliche Komponente aufweisen, die aus ihrem Verständnis nicht ausgeklammert werden kann.
 

Natur, so mein Fazit, läßt die conditio humana als Teil der conditio vitae transparent werden. Natur bedeutet auch unser Wesen in seiner organischen Verfaßtheit. Diese Bedeutsamkeit könnte als Argument in einer wiedereröffneten ökoethischen Debatte dienen: die Erfahrung von Natur ist unabdingbar für eine tiefe Selbsterfahrung als biosemiotisch verfaßtes Wesen.

 

Text: Andreas Weber | Coverdesign: Dorothée Schweitzer